Studie über Missbrauchsfällen in DDR-Kinderheimen veröffentlicht


Kinderheime von physischer und psychischer Gewalt geprägt

Nicht jeder der Betroffenen berichtet von negativen Erlebnissen, sagt die Leiterin der Studie Prof. Dr. Heide Glaesmer. Dennoch zeige sich insgesamt ein Bild einer Institution, die die Bedürfnisse von Minderjährigen auf allen Ebenen vernachlässigte. “Viele der Menschen mit DDR-Heimerfahrungen mussten nicht nur traumatische Erfahrungen in den Heimen machen, sondern erlebten häufig bereits in der Herkunftsfamilie Missbrauch und Vernachlässigungen, oft mit langfristigen psychosozialen Folgen.”

So wären rund 70 Prozent der Befragten in ihrer Jugend körperlich misshandelt worden, ein Drittel davon hätten die physische Gewalt direkt in den Erziehungsanstalten erfahren. 17 Prozent gaben an, in den Heimen sexuell missbraucht worden zu sein. Besonders in den Spezialheimen, die für “Härtefälle” vorgesehen waren, hätten sich die Misshandlungen gehäuft, zeigt die Studie. Berüchtigt war der geschlossene Jugendwerkhof in Torgau. Hier standen Einzelarrest und weitere Formen der Erniedrigung an der Tagesordnung.

Die Teilnehmenden der Testimony-Studie verbrachten zwischen zwei Monaten und 18 Jahren in den Einrichtungen. Manche wechselten bis zu 14. Mal die Institution. Die fehlenden Bildungsmöglichkeiten sowie die körperlich oft anstrengende, nicht bezahlte Arbeit in den Heimen habe zudem ein Leben nach der Entlassung erschwert. Einer von fünf Studienteilnehmenden landete demnach als erwachsene Person später im Gefängnis.     

Forschungsgruppe fordert Anerkennung und bessere Hilfsangebote

“Eine Wiedergutmachung der negativen Erfahrungen ist für Menschen mit DDR-Heimerfahrung nicht möglich, es gibt jedoch Möglichkeiten, ihnen öffentlich Anerkennung und Respekt zu zollen und entstandenes Leid anzuerkennen und abzumildern”, schreibt die Forschungsgruppe in ihrem Abschlussbericht. Sie fordern eine proaktive Aufarbeitungspolitik wie beispielsweise medienwirksame Interessensvertretungen. Hier gebe es noch einen “erheblichen Nachholbedarf”.



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