TikTok – so gehen die USA, die EU und weitere gegen die Plattform vor


TikTok ist eine der beliebtesten Social-Media-Plattformen weltweit. Laut dem Londoner App-Markt-Beobachter Business of Apps nutzten im zweiten Quartal 2024 rund 1,59 Milliarden Menschen die Kurzvideo-App. Unterdessen betrachten viele Staaten TikTok als Sicherheitsleck in Bezug auf China.

Der US-Kongress hatte in den vergangenen Tagen ein Gesetz verabschiedet, das ein Ultimatum vorsieht: Entweder TikTok löst sich binnen eines Jahres von der chinesischen Mutter ByteDance oder es wird in den USA aus den App-Stores von Apple und Google verbannt. Der chinesische Mutterkonzern von TikTok hat eigenen Angaben zufolge trotz des US-Ultimatums keine Absicht, die Plattform zu verkaufen.

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Nachdem der Kurzvideodienst lange dementiert hatte, dass Daten nicht-chinesischer Nutzer in China gespeichert werden, erklärte er vergangenen Sommer, dass das in bestimmten Fällen doch der Fall sei, etwa wenn Influencer aus den USA oder Europa sich für Programme anmeldeten, um für ihre veröffentlichten Inhalte bezahlt zu werden. Das berichtete damals unter anderem das Wirtschaftsmagazin Forbes. Außerdem sollen Mitarbeiter des TikTok-Mutterkonzerns ByteDance US-amerikanische Journalisten ausgespäht haben. 

Die USA werfen ByteDance seit Jahren vor, TikTok dafür zu missbrauchen, die Nutzer auszuspionieren. Auch in Deutschland fordern Politiker ein schärferes Vorgehen gegen die App. TikTok weist die Vorwürfe stets zurück. Das Unternehmen bestreitet jegliche Verbindungen zur chinesischen Regierung und versichert, es habe sich so umstrukturiert, dass die Nutzerdaten in den USA blieben.

Wem gehört TikTok?

ByteDance ist zumindest zum Teil in chinesischer Hand. Die chinesischen Gründer besitzen 20 Prozent der Firmenanteile. Das Hauptquartier von ByteDance ist in Peking. Aus diesem Grunde, so argumentieren US-amerikanische Politiker wie der Republikaner (und bis vor kurzem Vorsitzender des Ausschusses des Repräsentantenhauses für den strategischen Wettbewerb zwischen den USA und der Kommunistischen Partei Chinas) Mike Gallagher, können sich die Mitarbeiter nicht der Kontrolle der chinesischen Regierung entziehen können.

Behörden in den USA und Europa befürchten auch, dass die Volksrepublik mit den gesammelten Daten die öffentliche Meinung manipulieren könnte. Die chinesische Regierung hingegen bestreitet, Druck auf ByteDance auszuüben und Nutzerdaten aus dem Ausland zu sammeln. Ungeachtet dessen nehmen Europa und die USA jetzt einen neuen Anlauf, die Macht TikToks einzuschränken.

USA: Politik will Tiktok-Mutterkonzern ByteDance zu Verkauf zwingen

Die US-Politik beäugt Tiktok schon seit Jahren kritisch. Sie will die Plattform für Nutzer in den USA unter amerikanischer Kontrolle sehen. Nach dem Repräsentantenhaus stimmte in der Nacht zu Mittwoch auch der Senat für ein Gesetz, das den Verkauf von Tiktok an einen amerikanischen Käufer innerhalb von 270 Tagen, also acht Monaten, festlegt. Erfolgt der Verkauf nicht, droht ein Verbot der App. Am Mittwochnachmittag deutscher Zeit unterzeichnete auch Präsident Joe Biden das Gesetz. 

Joe Biden auf einer Pressekonferenz, nachdem er ein nationales Sicherheitspaket unterzeichnet hatte, das Bestimmungen zu einem möglichen Verbot von TikTok in den USA enthält.

Joe Biden auf einer Pressekonferenz, nachdem er ein nationales Sicherheitspaket unterzeichnet hatte, das Bestimmungen zu einem möglichen Verbot von TikTok in den USA enthält.Pool

Der Mutterkonzern ByteDance hatte offenbar bis zum Schluss gehofft, das Gesetz durch die öffentliche Unterstützung von Nutzern und Lobbying verhindern zu können. Noch am Mittwoch gab Tiktok-Chef Shou Zi Chew bekannt, gegen das Gesetz klagen zu wollen. „Seien Sie versichert, wir gehen nirgendwo hin“, sagte der Chef in einem am Mittwoch veröffentlichten Video. „Die Fakten und die Verfassung sind auf unserer Seite und wir erwarten, dass wir uns erneut durchsetzen werden.“

Viele Rechtswissenschaftler, etwa Genevieve Lakier, Jura-Professorin an der University of Chicago, sehen das Gesetz ebenfalls kritisch. Es könne mit dem ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung in Konflikt stehen, sagte Lakier dem US-Techmagazin Platformer. Der Artikel stellt unter anderem das Recht auf freie Meinungsäußerung sicher.

Wäre TikTok bei einem Verbot weiter benutzbar?

Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf mehrere anonyme Quellen berichtete, würde ByteDance eher ein Verbot der App in Kauf nehmen, als einem Verkauf zuzustimmen – weil der Algorithmus zu zentral fürs eigene Geschäft sei. Bei einem Verkauf von TikTok müssten die neuen Eigentümer deshalb wohl einen eigenen Anzeige-Algorithmus aufsetzen. Bei einem Verbot wäre TikTok zwar nicht mehr in den Appstores von Apple und Google downloadbar. Bei den Nutzern jedoch, die TikTok schon auf dem Handy haben, würde es wohl weiter laufen. Allerdings wären dann wahrscheinlich keine Updates mehr möglich und die App in der Folge irgendwann veraltet und nicht mehr benutzbar.

EU stoppt Bonuspunkteprogramm von Tiktok

In Europa hat TikTok auf Druck der EU das Bonuspunkteprogramm der Appvariante „TikTok Lite“ gestoppt. Der Konzern hatte die Variante kürzlich in Frankreich und Spanien auf den Markt gebracht. Eigentlich soll sie Nutzer als abgespeckte Version hauptsächlich dabei helfen, Datenvolumen zu sparen. Doch man kann damit auch digitale Coins sammeln, die sich gegen Gutscheine für echte Geschäfte oder sogar Paypal-Guthaben eintauschen lassen. Nutzer erhalten diese Bonuspunkte für jedes angesehene Video, aber zum Beispiel auch für tägliche Anmeldungen. 

Kritiker wie der EU-Kommissar Thierry Breton befürchten, dass TikTok damit ein noch größeres Suchtpotential entfaltet. TikToks Sogwirkung gilt wegen der kurzen, schnell weiter gewischten Videos, dem endlosen Inhalt, der Personalisierung und seiner ständigen Verfügbarkeit sowieso schon als enorm hoch. 

Shou Zi Chew, CEO von Tiktok, spricht mit Journalisten nach einem Treffen mit John Letterman, Senator der Demokratischen Partei, im US-Kapitol in Washington.

Shou Zi Chew, CEO von Tiktok, spricht mit Journalisten nach einem Treffen mit John Letterman, Senator der Demokratischen Partei, im US-Kapitol in Washington.Bonnie Cash/Imago

TikTok unterliegt dem als soziales Netzwerk dem europäischen Digital Services Act (DSA). Das Gesetz verbietet unter anderem die sogenannten „Dark Patterns.“ Das sind manipulative Praktiken, mit denen Nutzer auf den Plattformen gehalten oder zu Käufen animiert werden sollen. Außerdem verpflichtet das Gesetz soziale Netzwerke dazu, Risikomanagements einzurichten.

Deshalb konnte die EU-Kommission einen Risikomanagement-Plan zu TikTok Lite verlangen. TikTok lieferte, weil sonst Strafzahlungen von bis zu sechs Prozent des Umsatzes des Unternehmens gedroht hätten. Überdies nahm die Konzernleitung TikTok Lite freiwillig vorerst vom Markt. Das Unternehmen erklärte, mit der Maßnahme wolle man Zeit gewinnen, um die Bedenken der Europäischen Kommission ausräumen zu können.

In diesen Ländern ist Tiktok bereits verboten

Indien: In Indien ist TikTok landesweit verboten, weil die indische Regierung durch sie Indiens Sicherheit und Souveränität bedroht sieht. Das Verbot erfolgte 2020, nachdem der zwischen Indien und China seit 60 Jahren schwelende Grenzkonflikt wieder aufflammte. Bei den Zusammenstößen starben 20 indische Soldaten. 

Afghanistan: In Afghanistan haben die Taliban 2022 ein komplettes Verbot von TikTok verhängt. Sie begründeten es damit, dass die Plattform junge Menschen in die Irre führe. 

Jordanien: Die jordanische Regierung hat TikTok im Dezember 2022 verboten und begründete das damit, dass Nutzer über TikTok Falschinformationen und Videos, die „zu Mord und Chaos aufrufen“ gepostet hätten. Hintergrund waren Proteste um stark gestiegene Benzinpreise, bei denen ein Polizist starb und 40 Sicherheitskräfte verletzt wurden. 

Viele Länder verbieten Tiktok auf Regierungshandys

Eine Reihe von Ländern verbietet die App auf Handys von Regierungsmitarbeitern. Dazu gehören Belgien, Estland, Lettland, die Niederlande, Österreich, Frankreich, Norwegen, Großbritannien, Neuseeland, Australien und Taiwan. Taiwan verbot für die Handys von Regierungsmitarbeitern auch andere chinesische soziale Netzwerke. Auch Mitarbeiter der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats dürfen TikTok nicht auf ihren Diensthandys haben. (mit AFP)



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